Ukraine und Russland: Wie Deutschland zum Friedensvermittler werden könnte
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00:00:00: Er hat es zwar nicht geschafft, den Krieg in der Ukraine, wie versprochen, innerhalb von 24 Stunden zu beenden.
00:00:06: Doch nie gab es so viele diplomatische Aktivitäten in diesem Zusammenhang, wie seit dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump.
00:00:13: Vor wenigen Tagen empfing er zunächst den russischen Präsidenten Putin und kurz darauf dann den ukrainischen Präsidenten Zelenski,
00:00:21: der gleich von mehreren europäischen Regierungschefs sowie EU-Kommissionspräsidenten von der Leyen begleitet wurde.
00:00:27: Ich will darüber mit dem Politikwissenschaftler August Pradetto sprechen,
00:00:31: emeritierter Professor an der Universität der Bundeswehr in Hamburg.
00:00:34: Schönen guten Tag, Professor Pradetto.
00:00:36: Guten Morgen, Herr Ringel.
00:00:38: Weder beim Treffen Trumps mit Putin noch bei seiner Begegnung mit Zelenski und Vertretern europäischer Staaten gab es ja konkrete Ergebnisse.
00:00:46: Waren diese Treffen trotzdem sinnvoll?
00:00:48: Ich denke nur insofern, als diese Begegnungen noch einmal in aller Eindeutigkeit gezeigt haben.
00:00:55: Trump kommt Putin weit entgegen.
00:00:59: Er nimmt eine eher neutrale Position ein zwischen der Ukraine und den Europäischen einerseits und Moskau andererseits.
00:01:07: Er übt keinen massiven Druck auf Putin aus.
00:01:10: Er hat das Ultimatum für einen Waffenstillstand ebenso fallen gelassen wie die Drohungen mit Sanktionen
00:01:17: gegen Länder, die ökonomisch mit Russland zusammenarbeiten und Russland helfen, also vor allem China und Indien.
00:01:25: Er verliert offenbar auch langsam die Geduld und das Interesse an dem Konflikt und er sagt den Europäern, das ist eure Angelegenheit.
00:01:34: Und wenn ich das noch hinzufügen darf, zweitens war die Begegnung mit den Europäern im Weißen Haus insofern sinnvoll als sichtbar wurde,
00:01:45: wie sich die Europäer das auch schönreden und wie sie sich Trump unterwerfen im Huldigen und wie sie sich selbst weiter marginalisieren.
00:01:56: In Reaktionen auf diese beiden Treffen ist von westlicher Seite häufig zu hören, da hat Trump schon viel zu viele Zugeständnisse an Putin gemacht.
00:02:04: Das beginnt bei Äußerlichkeiten wie die Einladung in die gepanzerte Präsidentenlimousine, dann der Händedruck.
00:02:11: Und sie haben ja selbst auch gesagt, er stellt keine Vorbedingungen, ist ein paar Schritte zurückgegangen mit seinen Forderungen Russland gegenüber.
00:02:18: Also sind das schon zu viele Zugeständnisse?
00:02:20: Wie gesagt, er nimmt eine neutrale Position ein.
00:02:23: Er will sich in dem Konflikt nicht mehr so positionieren, dass die USA weiter involviert sind in diesem Konflikt.
00:02:30: Er will einen möglichst schnellen Friedensschluss, das gelingt ihm nicht auch nach mehr als 200 Tagen Amtszeit nicht.
00:02:39: Und er handelt nach der Devise "Make America Great Again" im ökonomischen Sinne.
00:02:46: Ich will einen Deal, ich will möglichst ökonomisch mit einer Vereinbarung und einer künftigen Zusammenarbeit mit Russland herausholen für mich, was herauszuholen ist.
00:02:59: Das gleiche gilt gegenüber den Europäern.
00:03:01: Er sagt den Europäern, okay, ich unterstütze euch, kauft unsere Waffen.
00:03:06: Das ist seine Position und insofern liegt das, was da in Alaska passiert ist, mit Putin und auch das, was im Weißen Haus mit den Europäern sich abgespielt hat, ganz auf dieser Linie.
00:03:19: Wie wahrscheinlich ist es denn, dass es in Kürze zu einem Treffen zwischen Putin und Zelens gekommen ist?
00:03:26: Also unwahrscheinlich.
00:03:27: Putin will nicht, solange seine Hauptforderungen nicht erfüllt sind.
00:03:32: Und dabei geht es vor allem um Zweierlei, die vier Oblasten im Osten, die ja zum größten Teil bereits von russischen Truppen besetzt sind, um die Grimm, die ja ebenfalls schon vollständig inkorporiert ist in Russland.
00:03:50: Und zweitens um die Neutralität, also die Nichtmitgliedschaft der Ukrainer NATO.
00:03:55: Und ein Treffen hätte auch keinen Sinn, weil ein Treffen Sinn nur hätte mit Blick auf eine von beiden Seiten der Ukraine und Russland und vielleicht unter Beteiligung als Garantiemächte zu unterzeichnenden Friedensvertrag.
00:04:12: Und der kommt nur zustande, wenn vorher die Bedingungen im Detail ausgehandelt worden sind.
00:04:18: Und in diesen Details ist man sich noch völlig uneinig.
00:04:22: Natürlich ist die Forderung vom Bundeskanzler Merz richtig, der einen Waffenstillstand fordert.
00:04:28: Aber darauf geht Putin nicht ein.
00:04:30: Trump zwingt ihn nicht dazu, also er zwingt Putin nicht dazu oder er kann ihn nicht dazu zwingern.
00:04:37: Also muss man mit dieser Situation umgehen, wie sie sich darstellt und nicht, wie man sie sich wötcht.
00:04:42: Sie sagen mit dieser Situation umgehen. Was heißt das denn? Heißt das, dass jetzt unter dem Radar Expertengruppen miteinander reden müssen?
00:04:52: Ist da was im Gange?
00:04:53: Ja, davon kann man ausgehen, dass das von amerikanischer Seite vorangetrieben wird, auch unter Einbeziehung der Europäer.
00:05:03: Das Treffen im Weißen Haus hat ja darauf hingedeutet und auch die Position von Trump deutet darauf hin,
00:05:09: dass man schon vorankommen möchte und dass man jetzt auf Experten-Ebene darüber verhandeln wird.
00:05:17: Vorrangig geht es um solche Punkte, wie diese 4 Oblasten im Osten.
00:05:23: Wenn ich richtig gerechnet habe, machen diese 4 Oblasten ungefähr 135.000 Quadratkilometer aus.
00:05:31: Das ist ein erheblicher Teil, das sind zusammen mit der Grem, über 20 Prozent des ukrainischen Territoriums.
00:05:38: Also von diesen 135.000 Quadratkilometern haben die russischen Truppen 115.000 Quadratkilometer in der Hand.
00:05:49: Also realitär geht es um diese restlichen 20.000 Quadratkilometer, die noch nicht besetzt sind.
00:05:57: Und die westliche Position ist ja mittlerweile eingeschwenkt.
00:06:01: Darauf, dass sagen ja auch die Europäer, Grundlage für einen Waffenstillstand und Grem Frins Verhandlungen soll sein,
00:06:08: die Kontaktlinie, also das heißt realitär diese 115.000 Quadratkilometer, während Russland diese 135, die gesamten 4 Oblasten fordert.
00:06:19: Und ich gehe davon aus, dass darüber gegenwärtig auch schon also zumindest unter den westlichen
00:06:28: Staatschefs, Expertengruppen zusammen mit den Amerikanern und den Ukrainern verhandelt wird, wie man sich dazu verhalten soll.
00:06:37: Nun ist es aber ja doch so, dass bis vor Kurzem noch die ukrainische Haltung und auch die der westlichen Unterstützer
00:06:44: ganz konsequent war, keine Gebietsabtretungen an Russland, eine Aggression darf sich nicht lohnen.
00:06:49: Es darf kein russischen Siegfrieden geben und so weiter. Was bleibt denn von all dem?
00:06:55: Also die bittere Realität ist, dass dieser Völkerrechtsbruch Wirkung zeigt, dass diese russische Aggression zwar bei Weiten nicht so erfolgreich ist,
00:07:07: wie sich das Moskau im Jahre 2022, als der Krieg vom Zaun gebrochen worden ist, gewünscht und vorgestellt hat.
00:07:16: Aber dass er insofern erfolgreich ist, dass klar ist, das ist die bittere Realität.
00:07:22: Die russischen Trocken sind nicht mehr aus der Krim und aus den Vieroblasten zu vertreiben.
00:07:29: Es wird zu Gebietsabtretungen kommen, weil wenn es nicht dazu kommt, da einzuvilligen und auf dieser Grundlage Verhandlungen anzustreben,
00:07:39: blutet die Ukraine aus, weil der Krieg weitergeht und dann kommt es doch zu diesen Gebietsabtretungen.
00:07:46: Das ist die Prognose von vielen Experten, die sich realistisch und nicht nur dem Mundstenken nach mit dieser Situation auseinandersetzen.
00:07:55: Die einzige Möglichkeit, das zu vermeiden, wäre, das habe ich immer gesagt, ein NATO-Einsatz in der Ukraine gegen Russland.
00:08:03: Aber das würde eine nukleare Eskalation bedeuten und das will keiner.
00:08:07: Jetzt wird ja vor allem über künftige Sicherheitsgarantien für die Ukraine diskutiert und dabei
00:08:12: geht es auch um die Möglichkeit westlicher Friedenstruppen mit Beteiligung der Bundeswehr
00:08:17: in der Ukraine.
00:08:18: Was halten Sie davon?
00:08:19: Wenn es zu einem Waffenstillstand oder einem Friedensschluss kommt, gibt es zwei Optionen.
00:08:25: Erstens Sicherheitsgarantien durch externe Mächte, dem stimmt im übrigen Putin zu,
00:08:32: allerdings unter der Bedingung, dass Russland selbst eine dieser Garantiemächte für die
00:08:36: Ukraine ist.
00:08:37: Was das heißt, ist völlig unklar.
00:08:40: Heißt das so etwas wie die Budapester Vereinbarung von 1994, als die wesentlichen externe Mächte
00:08:48: zusammen mit Russland die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine im Austausch
00:08:55: für die auf ukrainischen Boden lagenden sowjetischen Atomwaffen beschlossen haben?
00:09:02: Dem Putin akzeptiert ja bisher keine NATO-Truppen in der Ukraine und es ist auch schwer vorstellbar,
00:09:11: dass er die in Zukunft akzeptieren wird, denn das wäre ja faktisch eine noch stärkere
00:09:19: Integration der Ukraine in die NATO als ein bloßer Beitritt.
00:09:23: Und wenn das nicht durchsetzbar ist, also westliche NATO-Truppen in der Ukraine und Trump gesagt
00:09:30: hat, das ist eine europäische Angelegenheit, er wird die europäer bloß unterstützen, dann
00:09:36: kann man sich die Debatte über die Beteiligung der Bundeswehr sparen und jetzt ist auch überhaupt
00:09:42: noch nicht ersichtlich, wie irgendeine Form von westlicher Truppenpräsenz in der Ukraine
00:09:51: durchgesetzt werden sollte.
00:09:53: Es gibt aber eine zweite Option, nämlich ein UN-Madat für eine Blauhelm-Truppe und wenn
00:10:00: sich daran, auch das habe ich schon vor einiger Zeit überlegt und basiert auch auf Signalen
00:10:08: aus Peking, wenn sich an so einer Blauhelm-Truppe chinesische Truppen beteiligen, wäre das
00:10:15: auch eine Barriere für die Wiederaufnahme von Kampfhandlungen von russischer Seite, wenn
00:10:20: es zu Konflikten in der Ukraine kommt.
00:10:23: Im Rahmen einer solchen UN-mandatierten Blauhelm-Truppe könnten natürlich auch die Europäer und müssten
00:10:30: auch die Europäer eine wesentliche Rolle spielen.
00:10:32: Wenn über Sicherheitsgarantien für die Ukraine gesprochen wird, geht es da nur um mögliche
00:10:38: Truppen dort oder was müsste noch eine Rolle spielen?
00:10:41: Also das Beste wäre insgesamt im Eblick auf eine künftige europäische Ordnung, die von
00:10:48: Sicherheit und von Frieden geprägt ist, wenn sie multan mit den Verhandlungen über die
00:10:54: Ukraine oder spätestens nach einem Waffenstillstand oder Friedenschluss ein Prozess in Gang käme,
00:11:02: der die Gesamtsituation europäischer Sicherheit im Blick hat, analog zur KSZE in den 70er-Jahren
00:11:10: unter Beteiligung aller europäischen Staaten, inklusive Russland und den Vereinigten Staaten
00:11:16: zielend auf Rüstungskontrolle, Transparenz, Vertrauensbildung, kooperative friedliche Konfliktlösung.
00:11:24: Dies müsste das Ziel sein, denn basierend auf solchen Grundparametern des Völkerrechts wie
00:11:33: keine Gewaltanwendung, territoriale Integrität und Souveränität, das wäre quasi ein sukzessiver,
00:11:41: langfristig angelegter Aufbau von Sicherheitsgarantien, von denen ganz Europa inklusive Russland profitieren
00:11:50: könnte. Und das hat ja schon die Vergangenheit gezeigt. Das wäre für alle Beteiligten eine
00:11:56: produktive und zukunftsgerechte Angelegenheit. Und das beinhaltet natürlich auch, dass auf
00:12:03: eine weitere Aussehnung der NATO verzichtet wird, was ja ein Hauptgrund für die zunehmende
00:12:09: Eskalation der Spannung an zwischen NATO und Russland in den vergangenen 25 Jahren gewesen ist.
00:12:16: Es klingt allerdings in meinen Ohren ziemlich utopisch, was Sie gerade sagen, wenn wir an die
00:12:21: gigantischen Aufrüstungsprogramme denken, die ja sich im Westen abspielen, aber genauso ja auch in
00:12:27: Russland, da stehen die Zeichen doch eher auf mehr Konfrontation. Oder sehen Sie tatsächlich Chancen
00:12:33: für ein neues gesamteuropäische Sicherheitssystem? Herr Ringe, auch da gibt es eine Parallel zum
00:12:41: Kalten Krieg. Die massive Aufrüstung, gewechselnseitige Bedrohung, die nukleare Gefahr, die Eskalationsspirale,
00:12:50: die sich in den 60er Jahren gedreht hat, hat letztendlich zur Einsicht geführt, dass man auf
00:12:58: einem anderen Weg weitergehen muss, wenn man eine nukleare Katastrophe vermeiden möchte und wenn
00:13:06: man eine ständige Kriegssituation abmildern möchte. Das war auch damals so der Fall. Gegenwärtig,
00:13:14: ich gebe Ihnen vollkommen recht, gegenwärtig sieht es überhaupt nicht danach aus und ich
00:13:19: rechne auch nicht, dass in den nächsten Jahren so schnell ein radikales Umdenken stattfinden wird,
00:13:26: aber längerfristig wird sich das nicht vermeiden lassen und werden sich auch diese Kräfte stärker
00:13:32: bemerkbar machen, die daran erinnern, dass wir uns vorhand haben in den letzten 30 Jahren in einer
00:13:41: Situation, die letztendlich zu immer mehr Konflikten geführt hat und dass wir ihr in einer Form daraus
00:13:47: herausfinden müssen und dafür gibt es positive Beispiele, wie genannt, in der Vergangenheit.
00:13:52: Was bedeutet das alles, was wir gerade besprochen haben für die künftigen Beziehungen zwischen
00:13:57: Deutschland und Russland? Gerade sieht es ja so aus, als ob die Amerikaner auf Russland zugehen,
00:14:02: auch mit wirtschaftlichen Interessen im Hintergrund, wird es absehbar auch eine Normalisierung der
00:14:08: Beziehungen zwischen Deutschland und Russland wiedergeben können? Also das deutsch-russische
00:14:13: Verhältnis war immer ein besonderes. Ich brauche das in historischer Hinsicht jetzt nicht auszuführen,
00:14:19: in negativer wie impositiver Hinsicht. Politiker wie Willy Brandt, Egon Barr, Helmut Schmidt,
00:14:25: auch Helmut Kohl und Angela Merkel hatten keine Illusionen über Russland, über seine Demokratiefähigkeit,
00:14:33: seine Ambitionen, seine Stärken und Schwächen, aber sie hatten vor allem auch eines, was ja
00:14:41: neuerer Politikergeneration zum Teil abgeht. Einen Blick für die Sicherheitsanliegen nicht nur des
00:14:49: eigenen Landes oder Bündnisses, sondern auch Russlands. Sie wussten, diese Politiker damals
00:14:55: wussten und insbesondere entstehend aus dieser Situation des kalten Krieges in den 50er und
00:15:02: 60er Jahren. Sie wussten, was der Begriff Sicherheitsdilemma bedeutet, dass nämlich die
00:15:07: Schaffung von immer mehr militärischer Sicherheit für einen selbst zur Unsicherheit bei anderen
00:15:14: führt und ihn zu Gegenmaßnahmen veranlasst und sich das wechselseitig hochschaukelt. Wer immer nur
00:15:20: sagt, die eigene Rüstung richtet sich gegen niemanden, sondern dient nur den Frieden, der hat
00:15:26: nichts von internationaler Politik und von internationalen Beziehungen begriffen. Das sollte
00:15:32: sich die heutige Politikergeneration schnellstens wieder aneignern und in dieser Hinsicht spielt
00:15:38: meines Erachtens Deutschland in Europa gerade wegen seines besonderen Verhältnisses zu Russland
00:15:43: eine besondere Rolle. Und das gilt umgekehrt natürlich auch für Russland selbst. Gorbatschow war
00:15:49: derjenige, der begriffen hat, was das Sicherheitsdilemma ist und das eigenes expansives Außenverhalten und
00:15:57: militärische Aufrüstung analoges Außenverhalten im Westen provoziert. Wir brauchen eine Rückkehr
00:16:05: zu einer solchen Einsicht und einer darauf basierenden Politik auf beiden Seiten.
00:16:10: Professor Pradetto, ganz herzlichen Dank für das Gespräch.
00:16:13: Sehr gerne, Herr Rengel, auf Wiedersehen.
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