Ohne Förderung, mit Haltung: Berliner Theater Ost und Telepolis kooperieren
Shownotes
Das Theater Ost in Berlin-Adlershof verzichtet auf große Subventionen und bietet ein alternatives Kulturprogramm mit starkem Fokus auf DDR-Geschichte. Zusammen mit Telepolis veranstaltet es Polit-Salons, wie z. B. "Geteilter Himmel 2.0". Leiterin Kathrin Schülein betont die Freiheit, kontroverse Themen aufzugreifen, und die Relevanz der Ost-West-Thematik. Trotz hoher Ticketpreise erfreut sich das Theater wachsender Beliebtheit, auch bei Westberlinern. Highlight: der historische Klaus-Feldmann-Saal.
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00:00:00: Katrin, wir beide kennen uns schon im Weichen, deshalb würde ich sagen, bleiben wir jetzt auch beim Du, sei erst mal herzlich gegrüßt.
00:00:08: Ich grüße dich auch.
00:00:09: Warum sollten sich auch Menschen aus dem Westen für das Theater-Oste interessieren?
00:00:15: Weil wir uns nicht nur Kraft der Historie des Gebäudes, das DDR-Geschichte mehr als viele andere erzählt.
00:00:26: Wir selbst eben auch alle aus der DDR stammen, also DDR-Geborene sind und uns sozusagen verpflichtet fühlen,
00:00:34: unsere Geschichte zu erzählen, die in dieser Offenheit und Wahrheit nach unseren dafür halten oder nach unserer Wahrnehmung nicht mehr so erzählt wird.
00:00:45: Aber trotzdem noch mal nachgefragt, ist das denn für Menschen aus dem Westen auch interessant, habt ihr Besucher, die nach Atlas Hof kommen und sich den weiteren Weg aus dem Westen machen?
00:00:57: Ja, allerdings erst, sagen wir mal so, seit anderthalb Jahren, also vorher war das Interesse für die Ostgeschichte gar nicht so da.
00:01:06: Es ist ja auch nicht so, dass wir hauptsächlich unseren Spielplan so gestalten, dass irgendwie alles nur mit unserer Geschichte zu tun hat.
00:01:15: Wenn man es mal prozentual darstellen würde, dann würde ich mal sagen, 70 Prozent ist DDR-Geschichte und 30 Prozent.
00:01:22: Bewegt sich links und rechts daneben und öffnet im Grunde genommen die Türen zu anderen Rangensparten und auch Inhalten.
00:01:30: Du hast die Tradition, eures Hauses schon angesprochen, vielleicht machen wir das mal noch ein bisschen konkreter.
00:01:36: Im Gebäude des Theaters war ja zu DDR-Zeiten das Studio der Nachrichtensendung "Aktuelle Kamera". Erinnert daran heute noch etwas?
00:01:44: Ja, es erinnert insofern daran, als dass dieses Gebäude, was ja als Fernsehteater am 21. Dezember 1952 eröffnet wurde,
00:01:55: jetzt dass es noch nicht saniert ist. Ab 1957 wurde es dann nachher Fernsehstudio und Studio der aktuellen Kamera bis zur Schließung des deutschen Fernsehfonds.
00:02:04: Wir haben den eigentlichen Theatersaal, in dem nachher auch das Studio der aktuellen Kamera zu Hause war, in Klaus Feldmannsaal umbenannt,
00:02:15: weil Klaus Feldmann damals unser charmantester und auch aus unserer Sicht klügster Nachrichtensprecher war.
00:02:23: Der war 14-mal Fernsehliebling, hat ja auch viele Fernsehsendungen moderiert und er war derjenige, der den großen Saal bei uns veröffnet hat.
00:02:30: Wir haben ja drei Bühnen und als der große Saal eröffnet wurde, das alte Studio, hat er den Saal mit seinen Büchern,
00:02:37: in dem er aus den Büchern gelesen hat, eröffnet und als er gestorben ist, haben wir den Saal ihm zu Ehren in Klaus Feldmannsaal umbenannt.
00:02:45: Ansonsten ist alles noch so wie früher, wir haben alles nur temporär eingerichtet.
00:02:49: Der Atlassofa-Polizealong ist eine Kooperation mit dem Online-Magazin Telepolis.
00:02:55: Telepolis hat natürlich auch Publikum im Osten, aber ist doch bislang eher westsozialisiert. Wie ist es denn zur Zusammenarbeit mit Telepolis gekommen?
00:03:04: Zum einen bin ich selbst Telepolis-Konsument, also ich habe nicht so sehr viel Zeit, aber wenn ich lese, dann lese ich doch viel auch von Telepolis.
00:03:14: Mir war dieses Portal bekannt.
00:03:16: Telepolis ist ja dieses Alternativmedium, was uns irgendwie als Gegengewicht zur Verfügung steht, wie einige andere auch, zu den Mainstream-Medien.
00:03:28: Und so haben wir dann gemeinsam beschlossen, weil auch wir denjenigen bei unserem Haus in unserem Programm eine Stimme geben,
00:03:36: die gesellschaftlich, ich nenne es jetzt mal ganz hart ausgegrenzt werden, bei uns soll jeder eine Stimme bekommen.
00:03:45: Und ich empfinde das bei Telepolis genauso, dass eben dort jeder eine Stimme bekommt.
00:03:50: Und das Medium eben über die Mainstream-Informationskanäle inhaltlich hinausgeht.
00:03:58: Und das machen wir auch und wir Gedanken, das zusammenzumachen mit einer eigenen Veranstaltungsreihe lag dann nah und so kam das dann zustande.
00:04:08: Katrin, das ist nicht ganz billig, wenn man zu euren Veranstaltungen geht, auch der Polizialum, da kostet die Karte 28 Euro.
00:04:18: Es gibt auch Politdiskussion in Berlin, wo man kostenlos reinkommt.
00:04:23: Also im ersten Moment sagen vielleicht manche, Mensch, das ist eine Menge Geld, das will ich dann doch nicht haben.
00:04:28: Warum geht es nicht billiger?
00:04:30: Wir sind eine Kultureinrichtung, die fast ausschließlich auf Subvention verzichtet.
00:04:35: Wir bekommen eine ganz kleine kommunale Unterstützung, die aber bei der Größe des Hauses.
00:04:40: Also wir haben drei Bühnen im Haus, im Sommer bespielen wir auch noch eine Außenbühne.
00:04:44: Das sind 1000 Quadratmeter im Gebäude und 500 Quadratmeter auf der Außenfläche.
00:04:50: Das ist natürlich eine große Herausforderung, wenn man sich komplett auf den Eintrittspreis verlassen muss.
00:04:58: Und damit das ganze wirtschaftliche zu stemmen, die wirtschaftliche Seite.
00:05:03: Das erklärt natürlich dann auch, dass wir einen entsprechenden Eintrittspreis nehmen müssen.
00:05:09: Damit alle Fixkosten und auch die Kollegen nicht kostenlos reinkommen.
00:05:14: komplett umsonst arbeiten. Aber bei uns ist es schon so, dass der Kollegen Stamm teilweise
00:05:18: ehrenamtlich arbeitet, weil es finanziell gar nicht anders darstellbar ist, wie auf Spenden
00:05:22: angewiesen sind. Das ermöglicht uns aber die nicht komplette Durchsubventionierung, also
00:05:30: das Verzichten auf die großen Landesmittel, die ja die meisten Kultur-Einrichtungen oder
00:05:37: viele Kultur-Einrichtungen in Berlin können sich ja darauf stützen, auch wenn die jetzt
00:05:40: eingekürzt werden, haben sie zumindest ein finanzielles Fundament und können sich dementsprechend
00:05:46: eben auch leisten, solche Veranstaltungen, Polit-Talk-Runden, Diskussionsrunden kostenfrei
00:05:52: anzubieten. Das geht bei uns nicht. Aber aufgrund dessen, dass wir auf diese großen
00:05:59: flächendeckenden Grundsubventionen verzichten, haben wir natürlich auch eine gewisse Freiheit
00:06:07: in der Auswahl der Themen. Und das ist auch der Grund, weshalb wir dabei bleiben wollen.
00:06:13: Also wenn es dem Besucher, denn tatsächlich wichtig ist auch alternative Inhalte und Darstellungen
00:06:23: erleben zu wollen, dann muss er leider in die Tasche greifen. Aber immer mit dem Blick
00:06:29: darauf, dass er das Haus unterstützt und damit eben auch dazu beiträgt, dass das Haus
00:06:34: weiter besteht und dass auch vor allem unsere Geschichte weiter erzählt wird.
00:06:37: Der erste Polizalon gemeinsam mit Telepolis Ende April war ja dem Thema Tag der Befreiung
00:06:45: gewidmet. Und da war der russische Botschafter Nechayev, einer der Podiumsgäste. Du hast
00:06:50: schon gesagt, ihr hängt nicht an Fördertöpfen, deswegen seid ihr freier in gewissen Entscheidungen.
00:06:56: Ich kann mir aber vorstellen, dass es da auch Druck gibt auf euer Haus, bestimmte Dinge
00:07:00: jedoch nicht zu machen. Denn es gab ja zum Beispiel die Handreichung, wie es hieß vom
00:07:05: auswertigen Amt. Man solle keine offiziellen russischen Vertreter zu Gelenkveranstaltungen
00:07:11: einladen oder schon gar nicht zur Podiumsdiskussion. Ihr habt das dann doch gemacht, euer Haus
00:07:15: dafür geöffnet. Hast du dafür Prügel von irgendwem bekommen?
00:07:19: Nein, Prügel habe ich nicht bekommen. Also erst mal würde ich gerne noch erwähnen wollen,
00:07:25: dass diese Veranstaltung, nachdem wir sie online gestellt haben, genau vier Stunden später
00:07:31: komplett ausverkauft war. Also das Interesse ist sehr, sehr groß an den Meinungen und Gedanken
00:07:40: derer, die man eben nicht mehr irgendwo zu sehen oder zu hören bekommt, was die Mainstream-Medien
00:07:47: oder die staatlichen Medien betrifft. Es gibt uns also recht, dass wir da auf dem richtigen
00:07:53: Weg sind. Prügel haben wir nicht bekommen. Ich muss auch sagen, da gab es einen Moment,
00:07:58: da war ich auch auf unserem Bezirk sehr, sehr stolz. Trepto Köpenig hat sich nämlich da
00:08:02: ganz, das Bezirksamt hat verkündet, dass sie bei solchen Veranstaltungen niemanden wegschicken
00:08:09: werden. Wenn russische Gäste kommen und natürlich ist da auch das Treptor ehrenmal, das sowjetische
00:08:15: ehrenmal gemeint, aber sie haben es allgemeiner formuliert, also sie haben gesagt, dass wenn
00:08:21: es da Veranstaltungen gibt, dann wird niemand weggeschickt. Ich fand es sehr mutig, ich
00:08:25: habe mich umso wohler in diesem Bezirk hier in Berlin gefühlt. Es ist nichts passiert,
00:08:31: es gab keine Störer, es gab auch im Nachhinein weder Emails noch irgendwo anders einen Shitstorm
00:08:38: oder Angriffe, verbale Angriffe. Nichts dergleichen ist passiert.
00:08:42: Katrin, jetzt kommt also noch der Poli-Zahlung und dann von Mitte Juli bis Mitte August
00:08:48: sind der Arterferien. Worauf freust du dich besonders, wenn es danach wieder losgeht?
00:08:53: Ich mag jede Veranstaltung, jede, die wir zeigen, ich freue mich auf neue Poli-Zahlung-Runden.
00:09:00: Da bin ich wirklich sehr gespannt, wir haben ja gemeinsam gesprochen, was wir noch so
00:09:03: alles vorhaben. Also mich interessiert ja auch das Thema China, habe ich dir auch gesagt,
00:09:08: da wollen wir jetzt auch was zusammen machen. Gabriele Kruneschmalz kommt wieder zu uns,
00:09:13: gleich wieder zwei Tage hintereinander, weil das immer ausverkauft ist. Wir zeigen unsere
00:09:17: Recht inszenierung wieder, wir haben große Konzerte vor uns. Lyft kommt zu uns das erste
00:09:22: Mal in voller Besetzung, mitwärterlose als Liedsängern.
00:09:26: Für die Leute aus dem besten Weg dazu fügen das eine der besten DDR-Bands gewesen, die
00:09:32: nach wie vor Musik machen.
00:09:34: Ja und wir haben auch für die nächste Spielzeit haben wir tolle Sachen vor uns. Wir wollen
00:09:40: eine größere Puppenspielinszenierung, die so satirischen Charakter ist, also eine mit
00:09:47: großen Puppen. Mit einer Puppenspielerin, die in Berlin sehr, sehr bekannt ist, Susi
00:09:53: Wächter, die macht Aufführung oder hat Aufführung, Inszenierung am Berliner Ensemble, im deutschen
00:09:59: Theater.
00:10:00: Sie zusammen mit Jürgen Kuttner, dem bekannten Moderator, mit denen beiden wollen wir eine
00:10:04: Produktion gemeinsam bei uns auf die Bühne bringen, ein Theaterstück mit dem Puppen
00:10:09: von Susi Wächter. Also es gibt eigentlich sehr, sehr vieles und ich freue mich wahnsinnig
00:10:14: darauf, dass wir am 31.12.10 Jahre alt werden.
00:10:17: Danke Katrin, freue mich, alles Gute für weiteres auch gemeinsam mit Telepolis.
00:10:23: Ich danke dir, das wünsche ich uns auch.
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